
Avatar-Psychologie
In Web3 benötigt jeder Nutzer einen Avatar. Aber nach welchen Kriterien gestalten wir diese Repräsentation von uns selbst? Welche Avatare kommen gut an und kann der Typ des Avatars, den wir verwenden, sogar unser Verhalten beeinflussen?
Das Web3 ist nicht nur die Szene innovativer Technologien und neuer Geschäftsmodelle, es eröffnet auch neue Forschungsfelder für die Geisteswissenschaften. Psychologie und Kommunikationswissenschaften fokussieren sich derzeit zunehmend auf Avatare. Schliesslich benötigt jeder Nutzer im Metaverse eine virtuelle Repräsentation seiner selbst.
Und dieses Selbst kann – ganz anders als im realen Leben – mit ein paar Klicks nach Belieben gestaltet werden:
Das optimierte Selbst
Erste Studien zeigen, wenig überraschend, dass Nutzer ihre Avatare dem Nutzungskontext anpassen. Für das Geschäftstreffen mit dem Chef trägt man auch virtuell Business-Kleidung, während der Avatar für die VR-Party am Wochenende super-futuristisch aussehen kann.
Im Gegensatz zu früheren Studien, die Avatare fast ausschliesslich im Kontext von Spielen untersuchten, idealisieren Nutzer von sozialen Netzwerken ihre Avatare nun scheinbar weniger. Sie basieren ihre Avatare häufiger auf realen Merkmalen wie Geschlecht und Aussehen und bauen ihre Avatare damit näher an ihr reales Selbst. Gleichzeitig gibt es jedoch auch emsige Optimierungen im Metaverse: Jeder präsentiert sich so positiv wie möglich.
Im “Uncanny Valley”
Forscher aus den Bereichen Marketing und Wirtschaft wollen ebenfalls Avatare optimieren. Schliesslich werden Avatare im Web3 eingesetzt, um Kunden zu gewinnen, zukünftige Mitarbeiter zu überzeugen oder Follower zu inspirieren.
Man könnte annehmen, dass je fotorealistischer Avatare sind, desto mehr Nutzer sie akzeptieren. Aber es stellt sich heraus, dass abstrakte Figuren oft sympathischer wahrgenommen werden als besonders menschenähnliche Avatare. Dies wird dem “Uncanny Valley”-Effekt zugeschrieben. Ursprung in der Robotik, beschreibt “Uncanny Valley”, wie künstliche Figuren zunächst an Akzeptanz gewinnen, je menschenähnlicher sie werden. An einem bestimmten Punkt jedoch sinkt die Akzeptanzkurve steil ab, weil die menschliche Ähnlichkeit plötzlich sehr irritierend oder sogar gruselig erscheint. Diese “gruselige Lücke” schliesst sich erst, wenn der Avatar visuell nicht mehr von einer realen Person zu unterscheiden ist.
Alte Muster
Es wird auch spannend, wenn Nutzer ihre Avatare nicht selbst bestimmen können. Dann zeigt sich, dass der Avatar unser Verhalten beeinflussen kann! Dieser sogenannte Proteus-Effekt (benannt nach dem griechischen Meeresgott und Gestaltwandler) geht davon aus, dass Nutzer stereotypisch je nach den visuellen Merkmalen ihres Avatars agieren: In einem vergleichsweise grossen Avatar verhalten sich Nutzer unfaierer oder dominanter. Oder sie handeln stärker nach Geschlechterrollen mit klar geschlechtsspezifischen Avatar-Merkmalen als in einem geschlechtsneutralen Avatar.
Lernen am eigenen (Avatar-)Körper
Verschiedene Studien haben auch untersucht, ob Erfahrungen im virtuellen Raum einen nachhaltigen Einfluss auf die Probanden haben können. Und tatsächlich gab es deutliche Priming-Effekte – sowohl im positiven als auch im negativen Sinne: Wer eine längere Zeit in VR als obdachlos verbrachte, zeigte anschliessend wesentlich mehr Verständnis für diese Menschengruppe. Andererseits waren diejenigen, die eine Zeit lang als Türsteher in VR agieren mussten, weniger teamorientiert und aggressiver, als sie ins reale Leben zurückkehrten.
Ist alles Friede, Freude, Eierkuchen?
Auch wenn die meisten Forscher dem Web3 positiv gegenüberstehen, werden in der Avatarenpsychologie auch kritische Stimmen laut: Wie gross ist das Suchtpotenzial von Web3? Können die Nutzung verschiedener Avatare negative Auswirkungen auf die individuelle Identität haben? Und wie gefährlich ist die VR-Krankheit, bei der einige Nutzer nach dem Aufenthalt in VR anhaltende Übelkeit erleben?
Hier steckt die Forschung noch in den Anfängen. Aber keine Sorge, wir bleiben dran!
Fashion Female Avatars von ddraw auf Envato Elements
Kleid- und Frisurenspiel mit männlichen Avataren von ddraw auf Envato Elements